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Kurzinterview mit Florian Schneider und Christoph Wettstein

Aktualisiert: 7. Nov.

Im vierten und letzten Teil der Kurzinterviews zum Musical «Die Schwarzen Brüder» in Walenstadt kommen die beiden «alten» Hasen im Musical- und Theaterbusiness, Florian Schneider und Christoph Wettstein, zu Wort. Die Beiden dürften vermutlich die einzigen Musicaldarsteller in der Schweiz sein, welche die 500ste Aufführung in ein und demselben Musical spielten oder bald spielen werden.


Florian Schneider


Wenn man zu jemandem in der Schweiz Florian Schneider sagt, kommt als Antwort immer «das Phantom». In Zukunft vielleicht noch «der Mann mit der Narbe». Ist es nicht schwierig für einen Künstler auf die eine Rolle fixiert und reduziert zu werden, auch 15 Jahre später noch?

Tatsächlich werde ich noch sehr oft auf das Phantom angesprochen und bin immer wieder erstaunt darüber, wie nachhaltig dieses grosse Musical beim Publikum haften blieb. Theater ist ja sonst eher etwas Flüchtiges: gesehen, bejubelt und vergessen. Ich merke aber deutlich, dass vom Phantom eine lebhafte Erinnerung geblieben ist. Wie will ich mich als Künstler darüber nicht freuen?


Spielst du gerne, mal abgesehen vom Alpöhi und Johannes Taucher, den Bösen wie Jackie Messer, Frank n'Furter, Scapino, Phantom oder Antonio Luini?

Ich möchte mir meine jeweiligen Rollen in den Proben und über die Vorstellungszeit hinweg so zu eigen machen, als wären sie ein auf mich zugeschnittenes, gut sitzendes Kleid. Sitzt das Kleid, dann trag ich es gerne, welche Farbe und Form es auch haben mag.


Du hast einmal einen kantonalen Preis bekommen, weil du die Musicalkultur förderst. Merkst du umgekehrt Seitens des Staates eine solche Förderung? Wem würdest du einen solchen Preis vergeben?

Ja, sie haben mir mal einen Preis gegeben, wie sie sagten, weil ich mithelfe das Musical in der Schweiz als moderne Form des Unterhaltungstheaters zu entwickeln. Damals war das Genre Musical noch eher neu. Apropos staatliche Förderung: Hier in der Schweiz, ausser an den subventionierten Stadttheatern, wo auch erfolgreich Musicals gespielt werden, muss sich eine Musicalproduktion auf dem freien Markt meist selber und ohne staatliche Förderung behaupten. Da ist man zur Zeit hierzuland sehr erfolgreich, wie jetzt auch am Beispiel Walenstadt wieder zu sehen. Es wäre aber schon schön, wenn hier der Kanton im Notfall – der hoffentlich nie eintreten wird - durch eine Defizitgarantie den Weiterbestand dieses innovativen Festivals sichern würde.


Wie bist du zur Rolle des Luini gekommen? Wurdest du angefragt oder hast du dich beworben? Wie muss sich der Leser das Vorstellen?

Als ich angefragt wurde, ob ich in Walenstadt wieder mit dabeisein wolle und das Buch zum Lesen erhielt, dachte ich mir gleich, dass dieser Schurke wohl gut zu mir passen könnte. Endlich mal wieder einen so schön kaputten Typen spielen...


Welche Rolle reizt dich? Was würdest du gerne spielen?

In Mundart spielen und singen. Das ist meine Leidenschaft!


Ist man mit 51 nicht langsam Müde, sich an neuen Spielorten in ganz Europa zu bewerben und möchte heimisch sein oder macht es noch immer Spass, die Welt neu zu entdecken und herumzureisen?

Ich hab jahrelang als reisender Sänger nur aus dem Koffer gelebt und bin in Deutschland von Stadt zu Stadt von einer Produktion zur nächsten gehechelt. Buchstäblich jeden Abend eine andere grosse Rolle an einem andern Haus. Das schlaucht auf die Dauer, ich weiss, wovon ich spreche. Seit unsere Tochter auf der Welt ist, hab ich mich darum so eingerichtet, dass ich hauptsächlich hier in der Schweiz arbeite und so mehr zuhause bin als früher.


Welche Stadt reizt heute einen Tenor am Meisten, New York, Mailand, Berlin?

Ich bin ja ein Bursche vom Land und möchte gewiss nicht in einer Grossstadt leben. Interessante Herausforderungen finde ich hier in der Schweiz eigentlich auch zur Genüge. Warum glaubt eigentlich jeder, als Musicalsänger träume man ständig von New York? Ist doch Quatsch!


Was machst du, wenn du nicht gerade vernarbt oder mit Vollbart auf einer Musicalbühne stehst?

Ich will einfach offen bleiben, für die verschiedensten Sachen, die mit meinem Beruf als Sänger zusammenhängen. Es gibt ja nicht nur das Theater. Zur Zeit zum Beispiel schreibe ich gleichzeitig an einem neuen Musical, arbeite an schrägen Liedern für meine nächste Mundart CD, richte meinem alten Vater sein Kunstarchiv ein, probe die Uraufführung eines neuen Oratoriums, unterhalte mein Musikbüro und nebenbei renoviere ich unser Haus. Abwechslung befriedigt mich. Flexibilität ist alles, die will ich mir erhalten, ich könnte nicht ewig nur ein und dasselbe machen.


Christoph Wettstein


Du bist nicht zufällig mit der Darstellerin Christa Wettstein verwandt, welche gerade in Thun auf der Bühne steht?

Dies bin ich nicht direkt, aber mittlerweile kennen wir uns und haben festgestellt, dass wir aus derselben Wettstein-Brut stammen. Diesen Sommer hätten wir beinahe das Ehepaar Gaiser in Thun gespielt. (Überlegt) Das hätte bestimmt viele Fragen aufgeworfen (lacht).


Seit etwa zehn Jahren hast du kein Theaterstück mehr in deinem Lebenslauf aufgeführt. Spielst du lieber Musicals oder hat sich das so ergeben?

Singen und Tanzen gehörte immer zu meinen Leidenschaften, trotzdem bin ich dankbar, dass ich meinen Weg übers Sprechtheater gegangen bin. Beim Musical kann ich nun von meiner Schauspielerfahrung profitieren. Wenn die richtige Rolle und der richtige Regisseur kommt, würde ich auch gerne wieder mal in einem Sprechstück auf der Bühne stehen, aber Tatsache ist, dass es beim Schauspiel keine Bewerbungsplattform gibt für erfahrene Darsteller. Dort läuft praktisch alles über Kontakte.

Beim Musical gibt's die Auditions und so kriegt man immer wieder faire Chancen sich vorzustellen und gute Rollen zu ergattern. Und solange es so gut läuft, ich nebenbei regelmässig vor der Kamera stehen kann oder als Sprecher gefragt bin, hält sich die Sehnsucht nach dem reinen Sprechtheater in Grenzen, zumal ich beim Musical genau denselben schauspielerischen Massstab ansetze.


Du spielst neben Rollen in Musicals auch noch in einigen Fernsehserien in Deutschland mit und sprichst Werbespots. In der Schweiz bist du als Danü und Alpöhi bekannt. Warum hast du in Deutschland die Grössere Bandbreite an Jobs? Suchst du selber oder hast du einen Agenten?

Für mich war von Anfang an klar, dass ich alleine schon wegen der Sprache nach der Ausbildung nach Deutschland ans Theater wollte. Deutsch ist für uns Schweizer eine Fremdsprache. Wenn ich also authentisch und bauchverbunden auf der Bühne in einer Fremdsprache agieren will, hilft es, wenn ich auch in meinem Alltag mich dieser Sprache und ihrem Wesen annähere. Und dann gibt es natürlich einfach ein tausendfach grösseres Angebot in Deutschland, auch wenn die Konkurrenz entsprechend grösser ist.

Die Anzahl der Stadttheater, der Filmdrehs, der Musicalproduktionen gehen in die Hunderte, während es in der Schweiz gerade mal eine handvoll sind. Besonders schön ist, dass in den letzten Jahren sich dank Thun, Walenstadt, St.Gallen, der Maaghalle Zürich und andern risikofreudigen Spielstätten eine immer professionellere und anspruchsvolle Musicalszene in der Schweiz entwickelte. Gerade die Eigenproduktionen im Dialekt sind nicht hoch genug einzuschätzen.

Endlich bringen wir auch unsere eigenen Stoffe auf unterhaltsame Weise auf die Bühne und es scheint, als ob die Zuschauer nur darauf gewartet hätten. Ich wünschte mir, man könnte dieses von der hiesigen Filmszene ebenso behaupten. Denn auch Filme in der eigenen Sprache zu drehen ist eigentlich das Schönste, was man sich vorstellen kann. Und ja: nachdem ich für meine ersten Filmjahre noch bei einer Agentur war, suche ich mir momentan alle Jobs in Eigenregie.


Musicals wie der Kuss der Spinnenfrau oder Black Rider sind anders wie ein Andrew Lloyd Webber Musical oder Ewigi Liebi. Was spielst du lieber, volksnahe und familienfreundliche Stücke mit Ohrwürmern oder solche, die auch ein anspruchvolles Theaterpublikum ansprechen? Oder solche wie Elisabeth, die den Spagat schaffen?

Interessant ist die Auflistung der genannten Musical, denn in «Kuss der Spinnenfrau» und in «Black Rider» gibt es wunderschön harmonische eingängige Melodien, während Lloyd Webber's «Woman in White» eher schwer zugänglich ist.

Ich habe grundsätzlich keine Präferenzen. Entweder mir gefällt ein Stück oder nicht, mir gefällt die Musik oder nicht, mir gefällt eine Rolle oder nicht. Und das meine ich völlig wertfrei – es ist einfach ne Geschmackssache. Von der Musik her bevorzuge ich wohl Rockmusicals wie «Rent», «Jesus Christ Superstar», «Die Rocky Horror Show», «Ewigi Liebi», aber liebe ebenso «Les Mis», «Kristina», «Billy Elliot», «Dällebach Kari» und «Heidi». Aber wie gesagt, wenn meine Figur schauspielerisches Futter bietet und auch noch was zu singen hat, was mir gefällt, dann ist es mir egal, ob das Stück klassisch oder modern, seicht oder anspruchsvoll ist. Wenn es gut gemacht ist, wird es sein Publikum so oder so finden.


Spielst du in Bern in Ewigi Liebi wieder mit?

Auf jeden Fall, denn nach 483 gespielten Vorstellungen will ich die 500 unbedingt vollkriegen (lacht). Ich wundere mich selber darüber, aber ‚Ewigi Liebi' macht so ein Riesenspass, dass mir einfach nicht langweilig wird.

Mit Florian Schneider habt ihr hier ein Alpöhitreffen. «Erzieht» ihr die jungen Geissenpeter Patric und Samuel noch immer oder ist Heidi kein Thema mehr?

«Heidi» ist in der Tat immer wieder mal ein Thema, weil damit so viele schöne Erinnerungen verbunden sind und wir so quasi zu den Pionieren am Walensee gehören. Andererseits herrscht auch dieses Jahr eine Bombenstimmung, so dass wir nicht nur in Erinnerungen schwelgen müssen.


Als Dr Casella tritts du ja eher spät auf, malst du wie Helmi Bilder hinter der Bühne bis dein Auftritt kommt?

Der durchsickernde Regen würde aus den Gemälden wohl schlicht eine bunte Farbensosse kreieren, deshalb hab ich mich aufs Lesen verlegt. Meine gelesenen Bücher lassen sich zwar schlechter verkaufen als Helmis Bilder, aber vielleicht bin ich dafür nach der Saison ein wenig gescheiter.

ImScheinwerfer dankt den beiden Longrunnern für das Interview.

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