Ich hab die Anfrage erhalten, für einen Verein Makros von ökologischem Heilpflanzen-Saatgut zu erstellen. Es gibt viele tolle Beispiele im Netz, wie so etwas aussehen kann. Der folgende Bericht soll den Weg zum fertigen Bild aufzeigen, da es doch nicht ganz so einfach war wie Anfangs gedacht.
Ich hab das Canon MP-E 65mm f/2.8 Lupenobjektiv, welches einen Abbildungsmassstab von 1:1 bis 5:1 erlaubt. Bei dem Abbildungsmassstab 5:1 wird das Objekt auf dem Sensor fünf Mal grösser dargestellt wie es in Wirklichkeit ist. Zu diesem Objektiv und dem 100er Makro habe ich noch irgendwo einen Canon Macro Twin Lite MT-24EX im Kasten rumliegen. Dies ist ein Blitz, welcher vorne auf das Objektiv geklippt wird und mit zwei kleinen Blitzröhren das Licht nahe ans Objektiv bringt.
Mit dem Lupenobjektiv und dem Macro Twin Lite sind unter anderem die Insektenmakros entstanden:
Da alles vorhanden ist, ist das Setup also schnell aufgebaut und dazu noch einen normalen Systemblitz von Canon (Speedlite 600 EX RT) als Hintergrundlicht hingestellt und los von Rom.
Das ich da wohl etwas blauäugig an die Aufgabe heran ging, wurde mir schnell klar. Ich habe erstmal den kleinsten Samen (Viola tricolor) rausgesucht und auf eine Glasplatte gelegt. Hier zeigt sich bereits das erste Problem. Das Lupenobjektiv ist zu dick und ich komme auf der Tischplatt bei der 5:1 Vergrösserung nicht nahe genug an den Samen. Um den Samen in die Höhe und somit in die Mitte des Objektives zu bekommen habe ich ein Trink-Glas gesucht, welches einen ebenen und glatten Boden hat.
Das zweites Problem ist die Auslösung des modernen Speedlite 600EX-RT durch den Dinosaurier MT-24EX. Die Blitze sind untereinander nicht kompatibel, der moderne Blitz mag es über Funk und der Alte über Infrarot. Hier habe ich dann meine externe Funkauslösung von Hähnel verwendet, um alle Blitze von der Kamera aus auszulösen.
Das Setup sieht dann in etwa so aus, wer kann sieht die Samen auf dem Glasboden:
Naja, die Ergebnisse sind so lala.
Das Foto ist übrigens mit dem Abbildungsmasstab 5:1 bei Blende 11 entstanden. Der vermeintliche glatte Glasboden ist bei der Vergrösserung doch nicht mehr so glatt.
Selbst bei Blende 11 ist die Schärfentiefe sehr gering, doch hier ist das nächste Problem. Das Lupenobjektiv kann nicht selber fokussieren, dies geschieht mit dem hin- und herschieben des Objektes, am Besten mittels Makroschlitten.
Für die Insektenmakros habe ich so ein Teil (wobei ich da meist Freihand unterwegs bin:
Der Schlitten ist in diesem Fall nicht zu gebrauchen, ich muss genauer wie 1/4 Millimeter in gerader Linie fahren können.
Das nächste Teil, ein MFR-150 von Sunwayfoto, fällt auch weg da es zu wacklig und lottrig für diese Aufgabe ist:
Am Schluss bleibt man wie schon so oft bei Novoflex hängen. Zum Glück gibt es dort immer wieder Produkte mit Farbmängeln oder Kratzern, welche auf die Funktion keinen Einfluss haben aber den Preis in annehmbare Regionen senken. Der Castel Q mit Cast-Fine Griff funktioniert auch in senkrechter Position mit dem Gewicht von Kamera, Objektiv und Blitz einwandfrei:
Nachdem der Schlitten nun senkrecht funktioniert und ich somit das fokussieren einfach machen kann folgt nun also ein Versuch mit hängender Kamera von oben. Als Hintergrund habe ich ein schwarzes Papier genommen.
Es ist zum Haare raufen, wenn man den welche hätte, man sieht jede Faser des Papiers.
Also auf die Suche nach einer kleinen Glasscheibe im Haushalt. Warum nicht eines aus Kunststoff? Das verwendete Plexiglas verkratzt zu schnell und es lädt sich statisch auf beim Putzen. Die Samen sind dann überall nur nicht dort wo ich sie haben will.
Also mal ein paar Aufnahmen von oben ohne sichtbaren Hintergrund:
Schärfentiefe bei Makros
Ich möchte hier kurz ausholen für diejenigen, welche nicht so tief in der Materie „Makro“ drinstecken. In der Makrofotografie hat man vor allem mit einer ausserordentlich geringe Schärfentiefe zu kämpfen, welche mit steigender Vergrößerung auch noch rasant kleiner wird.
Normalerweise hilft hier abblenden, doch ab einer gewissen Blende wird das Bild nicht mehr schärfer, sondern die Gesamtschärfe nimmt wieder ab. (Wikipedia)
Die Ursache des weicheren Bildes liegt in der Beugungsunschärfe. Unter Beugung versteht man dabei die Ablenkung des Lichts am Rand der Blende. Früher war die optimale Blende diejenige, welche das schärfste gedruckte Bild in einem gewissen Betrachtungsabstand lieferte. Heute schaut man sich das ganze vergrössert am Monitor an und da ist die Grösse eines Pixels auf dem Sensor die massgebende Grösse. Die förderliche Blende ist nun diejenige, welche das Optimum zwischen Beugungsunschärfe und Schärfentiefe ist.
Die Beugungsunschärfe bei der Canon EOS R6 fängt bei Blende f/10.6, bei der EOS R bei f/8.6 und bei der EOS R5 bei f/7.1 an sichtbar zu werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass bei grösserem Abbildungsmassstab die förderliche Blende abnimmt, hier einmal für das 65mm an Vollformat gerechnet:
2:1 f/32
1:1 f/24
1:2 f/16
1:3 f/12
1:4 f/10
1:5 f/8
(Berechnet nach https://www.elmar-baumann.de/fotografie/rechner/rechner-foerderliche-blende.html)
Die EOS R ist ideal, da bei Blende 8 und dem Abbildungsmassstab 1:5 die Qualität auf Pixelebene gerade noch scharf sein sollte. Die Schärfentiefe ist allerdings nur 0.12mm und man kommt ums Focus Stacking, also das zusammenrechnen verschiedener Bilder mit unterschiedlichem Fokus, nicht herum.
Wieder zu den Samen
Die vorhandene Gratis-Fokus-Stacking-Software taugt leider nichts und so lade ich das Demo von Helicon Focus Pro herunter. Ein erster Durchlauf mit 8 Bildern sieht dann so aus:
Der erste Versuch, welchen ich gelungen finde.
Gestern kamen dann die drei bestellten mattierte Glasplatten mit 15x15cm, wovon ich eine schwarz und eine weiss hinter malte. Hier ein Versuch ungestackt (3:1), wie man sieht ohne störende Papierfasern:
Und ein Engelswurz-Samen gestackt aus 8 Aufnahmen auf der schwarzen Glasplatte (3:1):
Und als Versuch mit gelbem Papier hinter einer klaren matten Glasplatte:
Das gelbe Papier ist etwas unruhig.,man müsste wohl noch etwas Distanz zwischen Glas und Papier bringen damit ein Canon Speedlite 600EX das Papier belichtet. Der Auftraggeber soll entscheiden, ob es ein schwarzer oder gelber Hintergrund werden soll, wenn es gelb sein soll, dann wird hier weiter geprobt.
Ich habe noch einen Grössenvergleich mit einer Bleistiftspitze und einem kleinen Samen gemacht, damit man sich die Vergrösserung besser vorstellen kann.
Schlussendlich wurde es nach etlichen Diskussionen mit dem Kunden und Musteraufnahmen auf verschiedenen grünen Hintergründen ein Hell- und ein Dunkelgrün. Helle Samen sollen auf dem dunklen und dunkle Samen auf dem hellen Grün aufgenommen werden und zusätzlich dazu jeweils noch auf dem "Haufen".
Man glaubt gar nicht wie instabil ein stabiler Boden sein kann. Unser Haus ist 70-jährig und hat Holzboden. Man darf kaum atmen und schon gar nicht bewegen sonst ist sicher eine von 12 Aufnahmen daneben, welche mittels Stacking zusammen gebastelt werden sollen, und man kann nochmals anfangen.
Eine Herausforderung war auch, beim Stacking darauf zu achten, das nicht der ganze Hintergrund fleckig wird. Die Schärfeebene wird durch den Makroschlitten gemacht und dadurch verschiebt sich die Perspektive sowie der Blitz leicht, was reicht, das die Stackingsoftware Muster in den Hintergrund macht. Und hat man mal Parameter gefunden, wo der Hintergrund gut wird, dann funktionieren die Einstellungen beim nächsten Motiv sicher nicht.
Zusätzlich wird beim fertigen Bild in Photoshop mit dem Lasso mit einem weichen 100er Übergang die Samen umranden und dann das Selektierte invertieren (sprich alles ausser dem Samen ist markiert) und den gaussschen Weichzeichner darüber gelassen. Am Schluss muss man noch kontrollieren das nach dem Weichzeichnen nichts „komisch“ aussieht.
Hier eine kleine Auswahl:
Der Samen hier ist "abverheit", der Blitz spiegelt im Glas, aber es hat was.
Ich habe den Samen schräg von oben her aufgenommen um dessen Krone drauf zu bekommen. Aber dafür, das es aus 13 Aufnahmen zusammen gebastelt ist, sieht es noch erstaunlich gut aus.
Irgendwann muss man aufhören mit dem "Doktor machen", man wird sonst nie fertig. Schön wäre es, wenn man den Hintergrund unabhängig vom Vordergrund belichten könnte. Bei der jetzigen Variante ändert sich der Abstand des Blitzes mit dem Verschieben des Fokuspunktes und der Hintergrund wird mehr oder weniger belichtet.
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