Was ist ein Bokehrama? Bokehramas sind weitwinklige Fotos mit sehr wenig Schärfentiefe, so wie wir es von Telebrennweiten gewohnt sind. Der Schein trügt auch nicht, sind es eigentlich auch Aufnahmen mit einem Tele, welche wie ein Panoramafoto zu einem grossen Ganzen zusammengefügt werden.
Hier als Vergleich das Bild, aufgenommen mit einem Olympus M.Zuiko 12mm Objektiv bei Blende 2.0 an einer Olympus E-P1. Dies entspricht an einer Kleinbildkamera einem 24mm Objektiv mit Blende 4.0:
Schon ein sichtlicher Unterschied der Bildwirkung, oder etwa nicht?
Bokeh
Bokeh bezeichnet den Bereich in den Fotos, welcher nicht im Fokus ist, und meint die ästhetische Qualität der Unschärfe. Bokeh ist nicht messbar und daher eine ausgesprochen subjektive Angelegenheit. Über die Auslegung kann man(n) stundenlang diskutieren, welches Objektiv nun besser ist. Wobei die Aussage sicherlich zutrifft, dass Zoom-Objektive von Hause aus das schlechtere Bokeh haben wie Festbrennweiten (wobei einige Festbrennweiten diese Regel durch ihre Ausnahme bestätigen). Nikon optimierte ihre manuellen AI und AIS-Objektive eher auf Schärfe, Kontrast und Brillianz und bei diesen ist das Bokeh daher oft sehr unruhig. Zu Zeiten der manuellen Scharfstellung durch den Sucher mittels Schnittbildindikator war der hohe Kontrast und Schärfe sicherlich sehr willkommen. Hier ein Beispiel vom Nikkor 20mm 2.8 an der Canon EOS 5D:
Die im Nachfolgenden verwendeten Canon EF 85 f/1.2, Panasonic Leica DG 25mm f/1.4 und Olympus M.Zuiko 45mm f/1.8 gehören anerkanntermassen zu den Besten ihrer Art, einerseits was Schärfe bei Offenblende wie auch der Qualität des Bokehs betrifft. Ist es doch auch gerade bei diesen Dreien wichtig, da sie häufig für Portraitaufnahmen eingesetzt werden.
Als Vergleich ein Portrait mit dem Panasonic Leica DG 25mm f/1.4 (umgerechnet auf Kleinbild 50mm f/2.8) und eines mit dem Canon EF 85 f/1.2:
Wozu?
Ein Nachteil an den micro Four Thirds Kameras von Olympus und Panasonic ist wegen ihrem Cropfaktor von 2 die Unfähigkeit, Objekte so schön frei zu stellen wie es Kameras wie die Canon EOS 5D oder Nikon D700 mit ihren Vollformatsensoren können. So wird an der Olympus PEN ein 25mm mit Blende 1.4 zu einem 50mm mit Blende 2.8, bei welchem die Schärfentiefe schon sehr ausgeprägt ist im Vergleich zu einem gängigen 50mm f/1.4 an der 5D. Mit dem Versuch, die JPGs aus den Olympus-PEN-Kameras zu einem Bokehrama zusammen zu setzen, soll versucht werden, dieses Manko zu Umgehen und in den Ferien auch mal ein Bild mit wenig Schärfentiefe "zu basteln" wenn keine 5D mitgeschleppt wird.
Andere Fotografen wie Ryan Brenizer brauchen diese Methode, um Hochzeitspaare in Szene zu setzen. Ryan Brenizer lebt in New York und hat die hier beschriebene Methode als erster im grossen Stil kommerziell angewandt, deshalb wird sie auch häufig "Brenizer Method" genannt. Gerade im Umfeld einer Stadt wie New York lässt sich die dortige Infrastruktur, Werbung und parkierte Autos durch diese Methode gut ausblenden und das Lichtermeer als Hintergrund gestalterisch einsetzen.
Obiges Bild zeigt die Bildwirkung unterschiedlicher Objektive von demselben Standpunkt. Das linke Bild ist mit der Canon EOS 5D Mark 2 und dem Canon EF 85/1.2 aus etwa 15 Bildern, das Zweite mit der Olympus E-P3 und M.Zuiko 45/1.8 (9 Bilder) und das Letzte ist mit der E-P1 und dem Panasonic Leica DG 25/1.4 (1 Bild) entstanden. Obwohl auf dem (fertigen) Bild die Distanz zwischen Fotograf und Person auf dem rechten Bild am Kleinsten und somit der Hintergrund am unschärfsten sein müsste, ist es das weitwinkligste Bild, welches den schönsten Hintergrund hat (man beachte die Autos).
Fazit aus einigen Vergleichs-Bokeramas mit beiden Systemen ist, dass es zwar mit den Olympus-Kameras geht ein solches Bokehrama zu erstellen, aber der Aufwand ist derselbe wie mit der 5D und es stellt sich kein Wow-Effekt ein wie bei den Bildern mit der Vollformatkamera. Im Moment ist das M.Zuiko 45mm mit Blende 1.8 das lichtstärkste mFT-Festbrennweiten-Tele-Objektiv. Bokehramas aus 16 bis 20 Bilder bieten einen vertretbaren Aufwand, das Ergebnis entspricht dann aber nur gerade einem 35mm f/1.3 bis 24mm f/1.1 und ist somit nicht allzuweit von dem Canon EF 35mm L f/1.4 und EF 24mm L f/1.4 entfernt.
Weiter unten folgen noch weitere Beispiele, welche mit beiden Kameras als Vergleich gemacht wurden.
Ein Panorama?
Von herkömmlichen Panoramas unterscheidet sich das Bokehrama vor allem dadurch, dass es normalerweise keine Verlängerung des Formates und somit des Motives zur Folge hat. Das Format bleibt also 1:1, 2:3 oder 3:4. Eine weitere Eigenart ist, dass kein Stativ verwendet wird. Meist steht eine Person im Mittelpunkt und das Panorama sollte in "sekundenschnelle" entstehen. Bewegt sich die Person zu fest, ist das Bild ruiniert. Auch wird das Motiv nicht reihenweise abfotografiert, sondern zuerst das Hauptmotiv und dann ringsum die Umgebung.
Ein weiterer Unterschied zum normalen Panorama ist es, sowenig wie möglich an Schärfe in das Foto zu bringen. An Kameras mit Vollformatsensor wie eine Canon EOS 5D Mark 2 verwendet man am Besten ein 85 bis 135mm Objektiv mit Offenblende. Folgendes Beispiel ist aus 20 Bildern mit der 5D Mark 2 und dem EF 85 f/1.2 bei Blende 1.6 entstanden, fotografiert in sRaw wegen der anfallenden Datenmenge:
Wie unschwer zu erkennen ist, entspricht das Resultat in etwa einem Foto mit der Brennweite 35mm und einer Blende f/0.7.
Ein Bokehrama ist auch mit der Olympus PEN möglich, hierzu eignet sich das 45mm f/1.8. Fotografiert wurde mit manuellem Fokus, manuellem Weissabgleich und in der Grösse Medium (Super-Fine, 3200x2400). Das Bild wurde mittels Microsoft ICE (Image Composite Editor) zusammen gefügt. Es funktioniert auch mit Photoshop ("Photomerge") oder PT Gui (und andere):
Hier nochmals ein Vergleich zwischen Vollformat und mFT-Crop 2:
Offenblende bei Sonnenschein
Doch was macht man, wenn nicht gerade Nacht oder der Himmel wolkenverhangen ist und ein Fotografieren mit Offenblende erlaubt? Die Olympus PEN wie auch viele Einsteiger-DSLR haben 1/4000s als schnellste Verschlusszeit und ISO 200 als "langsamste" Empfindlichkeit. Mit diesen Werten ist bei Sonnenschein Blende 4 voraussichtlich die Grösstmögliche. In solch einem Fall setzt man (oder auch frau) einen Graufilter ein. Ein ND-8 reduziert das Licht um 3 Blenden, also aus f/4 wird f/1.4.
Wie mache ich es?
Damit man eben nicht nur den Kopf mit Schultern auf dem Bild hat, braucht es eben die spezielle Verschwenktechnik, damit man zum Panorama kommt. Es wird nicht ein einfaches Reihenpanorama, sondern ein Mehrzeiliges (neudeutsch Multi-Row-Panorama). Wegen der unerwünschten Bewegung der Person wird diese zuerst fotografiert, angefangen beim Gesicht. In S-Form wird zuerst die Person und danach wie eine Spirale rings um diese herum immer mehr von der Umgebung aufgenommen, mit genügend Überlappungsmöglichkeit.
Ausserdem muss man beachten, dass der Autofokus abgeschalten ist (am Besten alle Automatiken). Da mehrere Aufnahmen zusammen gefügt werden geht dies nur, wenn alle Fotos denselben Weissabgleich, Fokuspunkt und Helligkeit (Lichtwert) besitzen. Die Technik ist nicht leicht zu beherrschen und braucht einiges an Ãœbung, die Ergebnisse können aber der Mühe lohnen. Hier ein Bild zum besseren Verständnis:
Und zusammengerechnet und korrigiert. Das fertige Bild entspricht einem 24mm mit Blende 0.5:
Ein Portrait zum Zeigen, was ein Canon EF 85/1.2 in einem Einzelbild aus dem Hintergrund macht:
sRAW
Da schnell 20 und mehr Fotos für ein Bild zusammen kommen, sollte man in sRaw oder der mittleren JPG-Auflösung fotografieren. Der Vorteil von sRAW ist, dass man nachträglich den Weissabgleich setzen kann, wie im ersten Beispiel schön zu sehen ist. Die Bilder aus der Olympus sind etwas zu kühl und die Sonne "wärmt" nicht so schön wie im Bild der 5D, doch nachträglich die Farbabstimmung des JPGs zu ändern geht nicht verlustlos. Keine Angst wegen der Grösse, welche man verschenkt. Durch das Zusammenfügen wird das berechnete Bild wieder gross und bietet genügend Auflösungsreserven. Ansonsten rechnet der Computer die Nacht durch und die Festplatte ist schon bald übervoll.
Hier nochmals ein Vergleich mit einer 50mm Brennweite. Links ist das Foto aus 9 Einzelbilder (5D und 85/1.2) zusammen gesetzten und rechts ein Einzelbild (Panasonic Leica DG 25/1.4, entsprechend 50mm 2.8):
Nochmals Schritt für Schritt
Wähle eine Portraitbrennweite mit grosser Offenblende für minimale Schärfentiefe.
Wähle JPG oder sRAW, damit die Flut an Daten nicht den Arbeitsprozess sprengt. Durch das Zusammensetzen ergibt sich wieder ein Bild mit hoher Auflösung.
Setze die Kamera in manuellen Modus. Schliesslich soll das Ergebnis nicht wie ein Flickenteppich aussehen
Setze den Fokus auf manuell. Setze die Schärfe auf die Augen des Modells.
Setze die Blende so gross wie möglich, also zwischen f/1.0 und im Maximum f/4.
Ermittle die Verschlusszeit, mache eine Testaufnahme und kontrolliere das Bild mittels Histogramm. Sind die Lichter und die Schatten wie gewünscht?
Setze den Weissabgleich fest. Die Kamera zeigt normalerweise im Testbild die aufgenommene Lichtfarbe in K(elvin) an. ACHTUNG: Vor dem Versorgen in die Tasche wieder auf Auto stellen nicht vergessen.
Aufnahme wie oben beschrieben.
Am Computer zusammenfügen (Microsoft ICE, AutoStich, Photoshop, PTGui) und beschneiden, fertig. Falls ICE das Bild nicht korrekt zusammensetzt, kann man es als Photoshop-Datei (Option "als Layer") speichern. In dem File ist das komplette Bild sowie die einzelnen Teile als Layer vorhanden, diese können manuell bearbeitet werden.
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