Der nachfolgende Text soll kein Testbericht oder review sein, sondern die Erfahrungen des Objektives an der Sony Nex sowie an der Canon EOS 5D Mark 2.5 zeigen. Dabei sind nicht die technischen Daten und die Perfektion des Objektives im Vordergrund, sondern die „Fehler“, welches ein Objektiv gegenüber heutigen bereits in der Kamera korrigierten individualisiert und ihm Charakter gibt.
Mit der Einführung 1936 der Kleinbild-Exakta wurde es nötig, Platz zwischen Objektiv und Film für den Spiegel zu schaffen. Das Prinzip der Sonnare eigneten sich nicht dazu und man griff zum Planar-Prinzip, ein Gausssches Doppelobjektiv mit sechs Linsen in 4 Gruppen. Das Prinzip des Planars wurde 1896 von Paul Rudolph bei Carl Zeiss in Jena zum Patent angemeldet und war 1897 mit verschiedenen Brennweiten bei Zeiss im Programm.
Das Planar hatte eine hervorragende Grundschärfe bei zu dieser Zeit ungewohnt grosser Blendenöffnung und kleiner Bildfeldwölbung, daher der Name Planar. Durch die vielen Luft/Glas-Übergänge und dem damit verbundenen grossen Verlust sowie die grossen Empfindlichkeit auf Lichtquellen brauchte es nochmals 30 Jahre, bis die Neurechnung Biotar von Willy Merté bei Zeiss herauskam und Erfolg hatte. 1935 erfand Alexander Smakula bei Zeiss die erste reflexmindernde Beschichtung für Linsen und die Nachteile des Doppel-Gausses eliminieren. Das Biotar 2/58 kam 1938 auf den Markt und war 15 Jahre das Mass der Dinge. Mein Objektiv mit M42 Anschluss wurde 1955 gebaut.
Heute sind viele der lichtstarken Objektive zwischen 50 bis 100mm für Spiegelreflexkameras Nachkommen des Biotars. Nach dem Weltkrieg gab es Probleme mit den Markennamen, Zeiss in Oberkochen nannte die Objektive Planar, die aus Jena hiessen weiterhin Biotar. Später konnte durch bessere Glasarten die Konstruktion vereinfacht werden und kam unter dem Markennamen Biometar heraus.
Ist heute ein Biotar 2/58mm bereits für CHF 150 auffindbar, legt man für das 1.5/75mm gut bis zum Zehnfachen und mehr hin.
Canon EOS 5D Mark 2.5, Biotar 2/58 mit f/2.8
BEDIENUNG
Das Objektiv ist kleiner als es auf dem Foto scheint. Das Handling fühlt sich wie aus einer anderen Epoche an, ist es ja auch. Es ist ungewohnt, dass die Blende vorne am Objektiv bedient werden muss. Die Blende wie auch der Fokusring lassen sich leicht und gleichmässig drehen. Um von nah auf fern zu fokussieren braucht es fast eine ganze Umdrehung des Entfernungringes. Der Blendenring hat keine Rasterung, dies kannte man erst ab etwa 1960, aber ein Presetring. Man drückt den Ring gleich hinter dem Ring mit der Blendenskala und wählt die gewünschte Blende. Danach kann man die Blende öffnen um scharfzustellen und mit einem Dreh ist sie wieder bei der vorher eingestellten Blende.
An der Sony Nex lässt es sich sehr gut bei Offenblende mittels FokusPeaking scharfstellen.
Canon EOS 5D Mark 2.5, Biotar 2/58 mit f/2.0
Leider reicht das Objektiv ein wenig zu weit in den Spiegelkasten der unmodifizierten Canon 5D und der Spiegel schleifft daran. Mit einem Adapter, bei dem keine unendlich Fokussierung möglich ist, kann man das Objektiv ansetzen. Für Portraits oder Nahaufnahmen bis maximal 5 Meter geht es. Der Effekt des sich drehenden Bokehs lässt sich an der 5D am einfachsten nutzen und die Bilder sehen eher „Retro“ aus wie an der Sony-Nex. An der modifizierten Canon 5 D Mark 2.5 ist das Objektiv ohne Einschränkung zu nutzen.
Canon EOS 5D Mark 2.5, Biotar 2/58 mit f/2.8
OFFENBLENDE UND BOKEH
Offenblende zeichnet das Objektiv an APS-C-DSLRs erstaunlich scharf, es hat guten Kontrast und schöne Farben. An einer Vollformatkameras sieht man den Verlust an Schärfe zum Rand hin, wobei er je nach Motiv zusammen mit der Vignettierung kreativ genutzt werden kann um das Objekt in der Mitte hervor zu heben. Bereits bei Blende 4 ist es bis zum Rand hin erstaunlich scharf und kontrastreich und es hat trotzdem eine schöne, interessante und charakteristische Wiedergabe im Unschärfebereich (oder ist schön interessant der bessere Ausdruck) . Die Offenblende ist bereits so gut, dass an der Sony Nex bis Blende 5.6 zwar nochmals etwas an Schärfe zugelegt wird, aber weniger wie erwartet.
Sony Nex-6, Biotar 2/58 mit f/2
Die Verzeichnung des Objektives ist erstaunlich klein. Farbsäume sind mir keine störenden aufgefallen, und dies ohne Vergütung.
Canon EOS 5D mark 2.5, Biotar 2/58 mit f/4
FLARES & GHOSTS
Man muss es schon provozieren, das es Flares gibt. Entgegen dem Takumar S-M-C 1.4/50 sind sie beim Biotar kontrollierbar und entsprechen der Blendenform.
Sony Nex-6, Biotar 2/58 mit f/4
FAZIT
Sein volles „Potenzial“ an altertümlichen Eigenschaften zeigt es an Vollformatkameras. Unter Blende 5.6 nimmt die Schärfe zum Rand hin ab und die Vignettierung ist sichtbar, es lässt sich aber gut damit leben. Alles in allem ist es eher kühl abgestimmt, wer aber in RAW aufnimmt, den stört das nicht. Und die Sony Nex neigt bei Kunstlicht eher dazu, alles etwas zu Warm zu zeichnen, hier sind die Farben natürlich. Beim Fotografieren gegen Lichtquellen kann man Flares erzeugen und diese mittels Blende in Grösse variieren. Das Bokeh ist nicht unschön, zeigt Charakter und an Vollformat kann man bis Blende 2.8 „Katzenaugen“ erzeugen, in Neudeutsch heisst dies Swirling Bokeh. Also alles Eigenschaften, welche der moderne Fotograf nicht sucht. Jemand der es kreativ einsetzen will und damit Spass haben, der weiss diese Eigenschaften auch zu schätzen.
Sony Nex-6, Biotar 2/58 mit f/2
TECHNISCHE DATEN DES VERWENDETEN OBJEKTIVES:
Carl Zeiss Jena Biotar 58mm f/2
Anschluss: M42 Baujahr ca. 1955
Konstruktion: 6 Elemente in 4 Gruppen
Blendenlamellen: 10
Bildwinkel Vollformat / APSC: 18° / 12°
Blendenbereich: f/2 bis f/16
Distanzskala: .5m bis unendlich
Gewicht: 210 g
Abmessungen: D 60mm, L 40mm, Filter 49mm
Sonnenblende
Comentarios